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Beim Football wird der Traum einer Einheit gelebt

Mut, Kraft und eine gute Ausrüstung – all das brauchte ich bei meinem Selbstversuch. Ich habe bei einer Frauen-Footballmannschaft mit trainiert. Dabei habe ich schnell gelernt, worauf es bei dem Sport ankommt.
Ich gegen den Dummy. Bild: Ortgies

Ich liege rücklings im warmen Gras, durch das Gitter meines Helmes starre ich in den Himmel. Unter meiner dicken Footballkleidung fühle ich mich eingeengt und unbeweglich – aber geschützt. „Ready?!“, ruft Heinz Blank, Coach der Frauen-Mannschaft der Emden Tigers. Ich spanne meinen Körper an. Nebengeräusche nehme ich nicht mehr wahr. Ich fühle mich wie vor einem Start einer Achterbahnfahrt. Gleich beginnt die wilde Fahrt. „Go!“, brüllt der Offensiv-Trainer. Mit meiner gepolsterten Pad-Hose, den breiten Schulterpads, dem schweren Helm und meinem Mundschutz versuche ich, so schnell wie möglich aufzustehen. Es dauert lange.

Als ich endlich stehe, drehe ich mich um. In dem kleinen, markierten Feld auf dem Sportplatz steht mir meine Gegnerin gegenüber. Sie hält den ovalen Ball wie ein Baby im Arm vor der Brust. Wir rennen aufeinander zu. Als sie in greifbarer Nähe ist, gehe ich in die Hocke und umklammere ihre Beine. Sie darf auf keinen Fall an mir vorbei kommen. Wir stoßen zusammen und gehen zu Boden. Ohne die dicke Ausrüstung hätte das sicher wehgetan. So muss es schlimmer ausgesehen haben, als es sich angefühlt hat. Die 15 Spielerinnen außerhalb des Feldes applaudieren.


Werfen ist gar nicht mal so einfach


Werfen konnte ich noch nie gut, gehört aber zum Football dazu. Bild: Ortgies

Für knapp zwei Stunden lebe ich mit der Frauen-Footballmannschaft den amerikanischen Traum von Zusammenhalt. Wir sind eine Einheit, obwohl die Spielerinnen groß, klein, dick, dünn, jung und alt sind. Nicht nur beim Tackling feuern sich die Damen gegenseitig an, sondern auch beim Sprinten, Gewichteheben und beim Fangen der Bälle. Dieser respektvolle Umgang begeistert mich und löst bei mir – wie bei allen anderen – gute Laune aus.

Der ovale Ball versetzt mich gedanklich zurück in meine Zeit in den USA, wo ich ein Jahr lang als Austauschschülerin gelebt habe. Football war dort allerdings Männersache. Jetzt werfe ich erstmals den ovalen Ball. Beim ersten Versuch dreht er sich vorwärts, statt seitwärts, so dass er durch die Luft eiert. Nach den nächsten zehn Versuchen werfe ich etwas besser, trotzdem komme ich nicht weiter als 15 Meter.


Nach einem Tipp klappt's mit dem Fangen


Andere Sprint- und Dehnübungen machen wir zusammen – als Einheit. Offensiv-Käpitänin Mareike Spormann und Wiebke Kirchhoff machen die Übungen vor. „Are you ready?“, ruft Mareike. Alle antworten: „Yes“ – alle sind bereit. „One, two, three, ...“, zählen die 15 Spielerinnen während der Übungen mit. So laut und einheitlich, dass ich eine Gänsehaut bekomme.

Sprinten, Blocken, Werfen, Fangen: All das ist beim Football wichtig. Dementsprechend vielseitig läuft das Training ab. Nach kurzer Zeit merke ich: Auch das Fangen ist nicht einfach. Zwar bekomme ich den Ball von Coach Blank zu fassen, er fällt mir aber mehrmals aus den Händen. „Wenn du die Arme ausstreckst, musst du die Ellbogen enger zusammen halten, damit der Football nicht zwischen deine Arme durch fallen kann“, rät mir Lena Schuchhardt. Den nächsten Wurf halte ich.


Auf Kraft und Schnelligkeit kommt es beim Football an. Bild: Ortgies

Der Schmerz ist es wert


Vor allem aber eine Fähigkeit ist beim Football gefragt: Mut. Deutlich wird mir das vor dem Tackling eines Dummys. Ich soll vor dem Schaumstoffkissen, das einen Gegenspieler symbolisiert, abspringen, und den Dummy so weit unten wie möglich umklammern, so dass er umfällt.

Als ich Anlauf nehme, sehe ich nur den Dummy. Ich springe ab. Mit dem Kopf zuerst stürme ich gegen das blaue Kissen, fast, als würde ich einen Kopfsprung machen. Ich greife nach dem Dummy – und lande mit ihm hart auf dem Gras. Wie im Tunnel habe ich vergessen, dass nach dem Sprung der Aufprall kommt. Die dicken Schulterpolster fangen meinen Sturz etwas ab, trotzdem schmerzt mein Nacken hinterher.

Aber das Gefühl, in der Luft zu fliegen und das Kissen umzustürzen – auch wenn es nur ein Dummy war –, ist dieser Schmerz allemal wert. Nach dem Fall liege ich wieder im warmen Gras und sehe durch die Gitter meines Helmes in den Himmel. Aber schon beim zweiten Versuch habe ich gelernt, „richtig“ zu fallen.

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