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Reitstunde mit Schrecksekunde

"Reiten ist kein Sport. Das Pferd macht ja die ganze Arbeit." Das ist ein weit verbreitetet Irrglaube. Ich habe mich in den Sattel geschwungen, und siehe da: So lange ich nichts mache, macht das Pferd ebensowenig. Es war gar nicht so leicht, das Pferd zu führen. Dann gab es auch noch eine Schrecksekunde auf dem Reiterplatz.

"Royal" und ich werden für eine Reitstunden zum Team. Bild: Wagenaar

Schritt, Trab, Galopp, Ganzbahn und Zirkel: Um an dem einfachsten Turnier im Dressurreiten teilzunehmen, reicht es, diese Lektionen auf dem Pferd reiten zu können. Schaffe ich es in einer Reitstunde, sie zu lernen? Bei einem privaten Reitplatz im Emder Stadtteil Twixlum sitze ich auf „Royal“. Der 13-jährige Oldenburger hat vor seiner „Rente“ mit seiner Reiterin Wiebke Kirchhoff an S-Klasse-Turnieren teilgenommen, der höchsten Dressur-Klasse. Aber was bringt einem der beste Laufschuh, wenn man nicht laufen kann?


"Reiten ist kein Sport. Das Pferd macht ja die ganze Arbeit." Das ist ein weit verbreitetet Irrglaube. Ich habe mich in den Sattel geschwungen, und siehe da: So lange ich nichts mache, macht das Pferd ebensowenig. Es ist gar nicht so leicht, das Pferd zu führen. Dann gab es auch noch eine Schrecksekunde auf dem Reiterplatz.dem Schritt antreiben. Du bist die Chefin“, sagt sie. So fühle ich mich allerdings nicht. Zum einen ist „Royal“ mit seinem Stockmaß von 1,80 Metern 14 Zentimeter größer als ich. Zum anderen sind es seine Beine, die den Boden berühren, nicht meine. Ich folge ihm, nicht umgekehrt, denke ich. Ich treibe „Royal“ an, um zu traben – und werde durchgeschüttelt, bis ich den Rhythmus finde und mich in seinem Takt aus dem Sattel hebe. Weil ich vor einigen Jahren schon mal auf einem Pferd getrabt bin, geht das relativ schnell. „Den Rücken strecken und beim Aufstehen nicht nach vorne fallen, die Beine beim Aufstehen ganz durchdrücken und die Füße weiter nach hinten. Die Zügel kürzer halten und die Hände ruhig lassen!“, ruft Kirchhoff. Ich konzentriere mich auf den Takt und vergesse meine Haltung – oder umgekehrt.


Coach Sunny wird immer mehr zur Chefin



Beim Reiten ist höchste Konzentration gefragt. Bild: Wagenaar

Nach einer halben Stunde habe ich mehr Kontrolle. Ich trabe die verschiedenen Lektionen: die großen Runden, im Zirkel – also im kleinen Kreis – und wechsle dabei jeweils die Richtungen. „Du musst in die Richtung gucken, in die Du reiten willst. Mit Deiner Körpersprache hilfst Du ‚Royal‘, den Weg zu weisen.“ Mit Kirchhoffs Hilfe werde ich immer mehr zur Chefin.

Ich wage es, zu galoppieren. Nach mehreren Versuchen des Antreibens werden „Royals“ Schritte größer, der Rhythmus, in dem ich mich auf seinem Rücken bewege, wird dadurch etwas langsamer. Für drei Sekunden bin ich nicht mehr auf dem Reitplatz in Twixlum. Gedanklich bin ich in einem Rosamunde-Pilcher-Film und galoppiere am Strand entlang Richtung Sonnenuntergang: das ultimative Gefühl von Glück und Freiheit. Ich bin im siebten Himmel.


Panik kommt auf


Genau drei Sekunden hält dieser Moment an. Dann rutsche ich mit dem Fuß aus dem Steigbügel. Ich suche nach etwas, an dem ich mich festhalten kann – aber finde nichts. Ich fühle mich wie auf einem Fahrrad ohne Lenker: schutzlos und ohne Kontrolle. Panik steigt in mir hoch. Weil ich merke, dass ich mich nicht halten kann, lasse ich mich aus dem Sattel rutschen. 1,80 Meter falle ich „kontrolliert“ seitwärts in den weichen Sand und bleibe unverletzt.


Mein Problem: Mir fehlt das nötige Fingerspitzengefühl, um klare Anweisungen geben zu können. „Für das Pferd sind viele Kommandos sehr ähnlich. Deshalb ist es wichtig, präzise und bestimmt zu sein“, erklärt Kirchhoff mit ihrer langjährigen Reiterfahrung. Während dieser Kommandos darf der Reiter seine Haltung nicht verlieren. Die Anweisungen sind so minimal, dass sie für Zuschauer meist unbemerkt bleiben. Deshalb sieht Reiten für Außenstehende wohl so einfach aus.

Um an einem E-Klasse-Turnier teilnehmen zu können, müsste ich nicht nur Galopp üben, sondern auch meine Haltung, meine Balance, meine Bindung zum Pferd und vor allem mein Fingerspitzengefühl verbessern.


Am Ende sind "Royal", Wiebke Kirchhoff und ich wieder Freunde. Bild: Wagenaar

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